Mutationen - was kommt auf uns zu?

von Raymonde Harland

erschienen in "katzen extra" 7/97

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Katzen besitzen eine ausbalancierte genetische Regulation, deshalb gibt es bei ihnen nur selten Mutationen. Im Vergleich zu Hunden gibt es deshalb auch relativ wenige Rassen. Artenübergreifend ähnelt sich die Genstruktur so sehr, daß sich viele Katzenarten erfolgreich verpaaren lassen, z.B. Löwen und Tiger oder Wildkatze und Hauskatze. Bekannte mutierte Gene betreffen häufig die Fellfarbe und -länge bzw. -struktur. Diese Mutationen zur Zucht zu nutzen wird von der Mehrheit der Züchter bejaht, denn anders als z.B. bei der Mutation Munchkin, auch Dackel- oder Känguruhkatze genannt, wird durch eine neue Farbe oder Fellstruktur das artgerechte Leben und die Gesundheit der Katze nicht beeinträchtigt.

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Alle bisher bekannten Mutationen, also Katzen, die sich vom "Wildtyp" der kurzhaarigen getigerten Hauskatze unterscheiden, entstanden als "experimentum naturae" ohne Zutun des Menschen. Aber ohne das züchterische Eingreifen des Menschen gehen solche einmaligen und seltenen Neumutationen meistens wieder verloren. So sind z. B. Rexfell-Mutationen in verschiedenen Teilen der Welt beobachtet worden, aber nur wenige kamen in kundige Hände und erlangten züchterische Bedeutung. Es erfordert also eine große Sachkenntnis und Aufmerksamkeit derartig seltene Mutanten zu entdecken, in der züchterischen Bedeutung zu erkennen und adäquat züchterisch zu bearbeiten.

Je homozygoter eine Katze ist, desto mutationsempfindlicher ist sie, da ihr Pufferungsvermögen für sich verändernde Umweltreize geringer ist. Ca. ein Gamet von 100 000 bis 1 000 000 Gameten trägt ein neu mutiertes Allel. Viele führen zu Letalveränderungen, das Kitten wird abgestoßen oder tot geboren."Klein-Mutationen" jedoch, die z. B. nur die Fellfarbe und/oder -struktur verändern und nicht die Normalfunktionen des Körpers aus dem Gleis werfen, sind bei allen Lebewesen die Quelle für die Evolution. Es spricht nichts dagegen, sie als Grundlage für die Entwicklung neuer Farbschläge oder gar neuer Rassen zu nutzen.

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Viele Gene der Katze kommen auch bei anderen Tierarten vor, z. B. das Agouti-Gen, das für die farbige Bänderung des einzelnen Haares sorgt. Das Augenmerk von Katzenzüchtern sollte sich deshalb auf Mutationen bei anderen Tierarten richten, da solcherart " Parallelmutationen" auch bei Katzen erwartet werden können. Besonders folgende vier Mutationen sind bei Katzen zu erwarten, bzw. traten vereinzelt schon auf:

Pink

Dieses Gen ist Mäusezüchtern bestens bekannt, es wird mit dem Buchstaben p gekennzeichnet. Es färbt die Augen rosa und hellt einige Bereiche der Haare auf. Es ist bei Katzen noch nie beobachtet worden und wird wahrscheinlich auch nach seinem Auftreten wenig Freunde in der Katzenzucht finden.

Satin

Satin ist eine Fellstruktur, die zuerst bei Mäusen, inzwischen auch bei Meerschweinchen auftrit. Das Gen Sa bewirkt eine modifizierte Haarstruktur, die zu einer Vergrößerung der reflektierenden Oberfläche und zu einer Farbvertiefung führt. Es zeigt sich ein heller metallischer Schimmer und Weiß wird so zu Platin bzw. Creme zu Gold. Das Haar wird jedoch weicher und feiner durch eine Unterentwicklung der Markschicht bzw. sogar Verlust der Markschicht, d.h. das Haar ist hohl. Auch den Grannenhaaren wird dadurch die Starrheit genommen. Satin- Meerschweinchen haben 25 % mehr Haar als andere Rassen. Bei ihnen wird das Satin-Gen rezessiv vererbt, übrigens unabhängig von der Haarlänge, -struktur oder -farbe.

Satin wurde auch bei Katzen beschrieben, aber nicht eindeutig identifiziert. Es wurde auch nicht planmäßig gezüchtet.

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Rosette

Rosettenwuchs ist vor allem beim Meerschweinchen bekannt. Dort sind zwei unterschiedliche Gene: R und St identifiziert worden. Ca. acht Rosetten in denen das Haar von einem Mittelpunkt aus sternförmig nach außen wächst, verteilen sich über den ganzen Körper. Typisch ist dabei die Ponyfrisur mit nach vorn gerichteten und über die Augen fallenden Fransen. Britisch Kurzhaarwelpen, an denen Rosettenwuchs beobachtet wurde, wurden deshalb auch Vorhang- oder Gardinenkatzen getauft. Bei anderen Katzen trat Rosettenwuchs auch nur an einzelnen Körperstellen, z.B. dem Kehlgang oder an der Rückseite der Extremitäten auf. Eine Weiterzucht fand mit diesen Tieren nicht statt.

Lohfarbe

Lohkaninchen und Schäferhunde zeigen diese auch als black-and-tan bekannte Färbung mit schwarzem Rücken und gelbbraunen Flanken, Bauch und teilweise gelbraunem Schwanz und Kopf. Es handelt sich um eine Mutation am Agouti-Locus: at . Eine solche Färbung wäre sicher für viele Katzenrassen attraktiv. In Verbindung mit Verdünnung ergäben sich Tiere mit blauem Rücken und gelber Unterseite. Besonders reizvoll wäre die Verbindung mit Scheckungsweiß. Diese Farbe würde die planmäßige Zucht von dreifarbig erscheinenden Katern ermöglichen (genetisch wären das natürlich black-tabby + white Tiere mit dem at Gen). Loh-Katzen wurden noch nicht entdeckt.

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Züchter, die ein Tier mit mutierten Genen in ihre Obhut nehmen, tragen eine besondere Verantwortung, wenn sie damit neue Farbschläge oder gar eine neue Rasse züchten möchten. Für jeden Züchter ist es ratsam, nicht alleine drauflos zu experimentieren, sondern in Zusammenarbeit mit anderen Züchtern sorgfältige Zuchtpläne aufzustellen. Nicht nur, um das mutierte Gen zu erhalten und zu nutzen, sondern auch um zu gewährleisten, daß von Anfang an nur mit genetisch einwandfreien gesunden Zuchtpartnern verpaart wird. Jeder sollte den Ehrgeiz haben, nicht nur als Züchter einer neuen Varietät bekannt zu werden, sondern als verantwortungsvoller Züchter eines absolut gesunden Farbschlages bzw. einer gesunden Rasse.