Wie erziehe ich einen Menschen Teil 1

erschienen in "Maine-Coon-first" 6/98

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Kleiner Ratgeber für junge Katzen von X

Vor einiger Zeit fand ich auf dem Dachboden in einem versteckten Winkel ein merkwürdig zugerichtetes Bündel Papiere. Die blanken Seiten waren mit einem unregelmäßigen Muster aus Zahnabdrücken und Krallenspuren übersät. Lange mußte ich darüber brüten, bis mir klar war, daß hier ein wertvolles Dokument in Kätzisch (einer selten benutzten Schriftsprache der Katzen) vor mir lag. Weitere Wochen vergingen, bis mir mit Hilfe von Dechiffriertafeln aus dem 2. Weltkrieg, die mir mein beim britischen Geheimdienst tätiger Onkel hinterlassen hat, eine Übersetzung gelang. Vor mir lag ein geheimes pädagogisches Werk zur Erziehung von Menschen. Für gewöhnlich werden diese Kenntnisse nur mündlich zwischen den Katzen-Generationen weitergereicht. Umso mehr freut es mich, daß ich Ihnen dieses außergewöhnliche Dokument in diesem und den folgenden Heften vorstellen kann. Die Verfasserin hat leider keinen Namen hinterlassen. Ich nenne sie deshalb einfach "X".

Kapitel 1

Die richtige Wahl eines Menschen

Du bist jetzt ca. 12 Wochen alt und Deine Mutter beginnt Dich "abzuschlagen". Mache Dir keine Sorgen, sie liebt Dich noch genauso wie am ersten Tag, aber sie will Dir sagen, daß es an der Zeit ist, eine Entscheidung zu treffen.

Diese Entscheidung ist die Wichtigste in Deinem Leben. Du mußt überlegen, ob Du einen Menschen in Deinen Dienst stellen willst oder nicht. Wohnst Du bereits mit Deiner Mutter zusammen bei Menschen, dann ist Dir diese Entscheidung vorläufig abgenommen. Du wirst an Menschen verkauft oder verschenkt und Deine Auswahl ist begrenzt, es sei denn Du entscheidest Dich für eine kühne Flucht und suchst Dir Deine Menschen selber aus. Auch ein Leben ganz ohne diese zweibeinigen Wesen ist möglich. Bevor Du Dich dafür entscheidest, solltest Du gut alle Vor- und Nachteile überlegen. Besonders in der kalten Jahreszeit sind Menschen ungemein praktisch. Sie stellen Dir Nahrung und ein warmes Plätzchen zur Verfügung, mit Streicheleinheiten und Spielen wird im Allgemeinen auch nicht gegeizt. Allerdings haben Menschen die unangenehme Eigenschaft, die Realitäten zu verdrehen. Sie betrachten Dich als ihr Eigentum! Nur durch eine konsequente Erziehung kannst Du erreichen, daß sie angenehme Gesellschafter werden, die alle Deine Wünsche erfüllen.

Ich will auch nicht verschweigen, daß es Menschen gibt, die an schweren Störungen leiden. Sie kümmern sich entweder zu wenig oder gar nicht um Dein Wohlergehen, es gibt sogar Sadisten unter ihnen, die Dir schaden wollen. Bei solchen Exemplaren ist Erziehung vergeblich, du solltest sie schnellstens verlassen.

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Dieses Buch soll Dir helfen, Dir die richtigen Menschen auszusuchen und zu erziehen, damit es Dir im Leben an nichts fehlt. Dazu musst Du zunächst die einzelnen Menschentypen kennen lernen. Grob teilt man Menschen in Männer, Frauen und Kinder ein. Jede Gattung hat etwas für sich. In manchen Wohnungen leben auch Exemplare der verschiedenen Gattungen zusammen. Nicht jede Gattung paßt zu Dir. Überlege also schon vorher was Du willst - dann bist Du gewappnet, wenn sie auftauchen um Dich und Deine Geschwister zu begutachten. Taucht nur die falsche Gattung auf, verschwinde in einem Versteck und warte bis sie wieder weg sind.

Mann oder Frau?

Männer musst Du wie Hunde betrachten. Sie sind Rudeltiere und benötigen einen Rudelchef. Solltest Du Ambitionen zum Diktator haben, ist ein allein stehender Mann das Ideale für Dich. Allerdings darfst Du in Deiner Erziehung keinen Tag nachlassen, er muss immer spüren, dass Du der Chef im Hause bist. Das heißt nun allerdings nicht, dass die Erziehung eines Mannes eine leichte Aufgabe ist. Während er auf der einen Seite Erziehung erwartet, sich geradezu danach sehnt, von seinem Rudelchef erzogen zu werden, bäumt sich andererseits tief in seinem Inneren irgend etwas dagegen auf. Die Wurzeln für dieses widersprüchliche Verhalten, das sich, wenn man es erst einmal durchschaut hat, durchaus positiv für die Erziehung nutzen lässt, liegen im Ursprung und in der Geschichte des Mannes. Männer stammen von Rudeln wilder Jäger ab, die über Jahrtausende hinweg ungehindert die Welt durchstreiften. Obwohl sie nach und nach domestiziert wurden, und dabei den Kitzel der Jagd gegen andere spannende Beschäftigungen wie Geschäftstermine, Fußball und Kneipenabende eingetauscht haben, sind ihre ursprünglichen Instinkte noch immer stark ausgeprägt. Eine kluge Katze sollte immer daran denken, dass Männer, würden sie nicht in Wohnungen oder Reihenhäusern in Hamburg, München oder Berlin leben, noch immer in Gruppen von zwanzig oder mehr durch die Gegend streifen, von Kopf bis Fuß verdreckt, bereit, jederzeit und ohne Zögern zu töten , um nicht selbst getötet zu werden. Dies eigenartige Verhalten ist heute glücklicherweise nicht mehr alltäglich, doch nach wie vor lassen sich Anzeichen für diese uralte Rudelmentalität feststellen, wie etwa der Zwang zur Jagd, das Markieren von Territorien und das zeitweilig auftretende Bedürfnis des Mannes , sich in seine "Höhle" zurückziehen zu wollen. Hier können kluge Kater anknüpfen und sich als Kumpel an den Aktivitäten beteiligen.

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Das Gehirn des Mannes ist in der Mitte gespalten, d.h. die eine Hälfte weiß nicht, was die andere denkt. Deshalb haben Männer auch Schwierigkeiten, Gefühle anderer zu erkennen. Richte Dich deshalb darauf ein, dass Kommunikation mit ihnen noch schwieriger ist, als mit anderen Menschen. Am besten kommen sie mit einfachen Befehlen klar. Versuche es also gar nicht mit subtilen Signalen. Lautes energisches Miauen und deutliche Gesten können sie aber verstehen. Alberne Kosenamen bleiben Dir bei einem Mann allerdings erspart, denn er ist auch in seiner eigenen Sprache meistens wenig begabt, dafür können Männer besser Bälle werfen. Für Unterhaltung ist also gesorgt. Wenn Du Spaß daran findest, mit ihm gemeinsam 22 kleine Männer in einem lauten Kasten zu betrachten, die einem Ball nachlaufen, so kannst Du viel Freude an einem Mann haben.

Frauen sind zwiespältig. Einerseits sind sie schwerer zu erziehen, weil sie fast alle Tricks wie Einschmeicheln, Schmollen usw. kennen - andererseits kann man mit ihnen besser kommunizieren. Sie vergessen selten, Dich zu füttern, auch das Katzenklo wird von ihnen zuverlässiger gereinigt. Frauen vergessen auch im Gegensatz zu Männern Deinen Geburtstag nicht (den meisten Männern fehlt das für Geburts- Hochzeits- und ähnliche Tage zuständige Erinnerungs-Gen). Wünscht Du jeden Tag ein ausgefallenes Menue, so bist Du mit einer Frau in der Regel besser dran. Da Frauen von klein auf an daran gewöhnt werden zu tun, was man ihnen sagt, reicht es oft einmal, seinen Willen durchzusetzen. Frauen sammeln gerne. Dies ist ein Relikt aus der Ur-Zeit in der sie für das Sammeln von Körnern, Früchten usw. zuständig waren, also noch bevor sie von Katzen domestiziert wurden. Es kann also vorkommen, dass sie Katzen sammeln, d. h. immer wieder fallen arglose Kätzchen auf sie herein und suchen sich diese Sammlerin aus. In einem solchen Fall musst Du Dich mit den andern Katzen im Haus zusammentun und deutlich zeigen, dass ihr keine weiteren Mitbewohner wünscht. (Siehe auch das Kapitel: Katzen WG).

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Eigentlich ist die Kombination von einem Mann und einer Frau ideal. Leider können Sie sich oft nicht beherrschen und bekommen Nachwuchs. Deshalb achte auf das Alter Deiner Menschen. Sind sie für Verpaarungen zu alt, so haben oft genau das richtige Alter für Dich.

Kinder- ein besonderes Kapitel

Meiner Meinung nach sind Kinder unnötig, aber manchmal kannst Du einem Zusammenleben mit ihnen nicht entgehen. Glaube nicht, dass Du ältere Rechte hast, wenn sich der Nachwuchs erst nach Deinem Einzug einstellt. Dies ist leider der einzige Punkt, in dem Du Dich nicht durchsetzen wirst: egal was Du anstellst, sie geben das Kind nicht weg und setzen es auch nicht aus. Du musst Dich also arrangieren und zwar von Anfang an. Lege Dich bitte nicht in die Wiege, auch wenn es noch so schön warm dort ist. Viele Menschen geraten in Panik und glauben, dass Du das Kind ersticken kannst. Am Ende geben sie Dich weg und so weit willst Du es doch nicht kommen lassen. Aus demselben Grund solltest Du Kinder auch niemals kratzen. Gehe ihnen einfach aus dem Weg, bis sie in dem Alter sind, wo sie das erste Mal Trost benötigen. Dies ist Deine Chance! Tröste sie besonders liebevoll, wenn die Eltern es sehen. Es wird Deine Stellung ungemein festigen.

Das Kind wird Dich lieben und beschützen, wenn doch einmal die Rede darauf kommt, Dich wegzugeben. Kinder lieben Dich überhaupt mit sehr viel mehr Kontinuität als Erwachsene. Nie würden sie Dich aussetzen, um ungestört in den Urlaub zu fahren! Kinder spielen übrigens genauso gerne und ausdauernd wie Du. Schau einmal in ein Kinderzimmer, manches Kinderspielzeug ist auch für Dich brauchbar. Es lässt sich also ganz gut mit Kindern auskommen, wenn Du ihre Stärken nutzt und ihnen ansonsten aus dem Wege gehst.

Die vierte Dimension

Egal für welche Art Menschen Du Dich im Vorwege entscheidest - sei darauf gefasst, dass Dir etwas Unerwartetes passieren kann. Man nennt es "Liebe auf den ersten Blick" und wenn es Dir und einem Menschen widerfährt, helfen alle Vorüberlegungen nichts. Dies ist Dein Mensch - und nichts wird euch trennen!

Fortsetzung Teil 2